Endurteil des Landgerichts Würzburg

LG Würzburg: SV-Kosten des Versicherungsnehmers durch Gebäudeversicherer zu erstatten

Außergewöhnlich aber immer öfter:
Die Sachverständigen-Kosten (SV-Kosten) des Versicherungsnehmers sind durch den Gebäudeversicherer zu erstatten. Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 15. Dezember 2022 (92 O 643/21 Ver)

Hinweis
Im Unterschied zur Gebäudeversicherung sind die SV-Kosten des Versicherungsnehmers bei einem Haftpflichtschaden in der Regel durch den Haftpflichtversicherer des Schadensverursachers zu ersetzen.

Zur Ausgangslage

Es ist üblich, dass ein Gebäudeversicherer einen Sachverständigen seines Vertrauens beauftragt und bezahlt. Dieser Sachverständige wird nachvollziehbar versicherungsnah begutachten (womöglich wegen erhoffter weiterer Aufträge durch den Versicherer). Demgemäß besteht die Gefahr, dass er versuchen wird – unabhängig von einer fachgerechten Vorgehensweise – den Schaden „klein“ zu halten.

Wenn sich der Versicherte nicht (ausschließlich) auf den versicherungsnahen Sachverständigen verlassen möchte, wird er einen unabhängigen Sachverständigen seines eigenen Vertrauens hinzuziehen. Die Übernahme dieser SV-Kosten durch den Versicherer wird üblicherweise abgelehnt.

Zum konkreten Fall

Nach einem Leitungswasserschaden wurde der Schadensumfang vom Sachverständigen des Versicherers in einem in Holzständerbauweise errichteten Einfamilienwohnhaus auf ca. 15.000 Euro geschätzt. Nach Angabe des Versicherer-Sachverständigen war der Schaden durch Trocknungsmaßnahmen zu beheben.

Im Rahmen einer mikrobiologischen Bestandsaufnahme durch den Sachverständigen Dr. Gerhard Führer wurde nachgewiesen, dass weite Bereiche der Bodenaufbauten und der benachbarten Wandfüße im Erdgeschosses mikrobiell belastet waren. Im Gegensatz dazu hat der vom Versicherer beauftragte Sachverständige keine mikrobiellen Belastungen nachgewiesen. Im Sinne einer gesundheitlichen Vorsorge ist die Familie zeitnah aus dem Wohnhaus ausgezogen.

Die juristische Aufarbeitung

Trotz vermeintlichen Verstoßes des Versicherungsnehmers gegen § 85 Abs. 2 VVG und trotz vermeintlichen Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht hat das Gericht anerkannt, dass die SV-Kosten inklusive Laboranalytik und Messinstrument Schimmelspürhund vollumfänglich vom Versicherer für den vom Versicherungsnehmer eingeschalteten Sachverständigen Dr. Gerhard Führer in Höhe von 15.050,73 Euro zu erstatten seien.

Die Begründung des Gerichts lautete, Zitat:
„Die Beklagte (= Gebäudeversicherung) hat die Regulierung nicht in der nach dem Versicherungsvertrag vereinbarten und gebotenen Weise vorgenommen, so dass im Ergebnis ein vergleichbarer Fall wie nach dem ersten Ausnahmefall des § 85 Abs. 2 VVG gegeben ist, nämlich dass der Versicherungsnehmer zu der Zuziehung vertraglich verpflichtet ist, da er ansonsten seine ihm vertraglich zustehenden Ansprüche nicht realisieren könnte. In einem Fall – wie hier – kann § 85 Abs. 2 VVG damit einer Ersatzpflicht nicht entgegenstehen.“

Die Moral von der Geschicht
Traue Deinem Wohngebäudeversicherer nicht.

Oder: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Unser Tipp!

Lesen Sie hierzu das Urteil des LG Würzburg vom 15. Dezember 2022 (92 O 643/21 Ver).

In diesem Zusammenhang ebenfalls lesenswert ist der Fachbeitrag „Feuchte(folge)schäden: Gut versichert ist nicht gut beraten“ in B+B Bauen im Bestand von 2/2023. Erhältlich auch als Download via Baufachinformationen.de